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Lernen muss man noch selbst

Lernen muss man noch selbst - Die Kraft der Gedanken: Von Lernmedien oder Mentaltrainings wie Neurofeedback werden Wunder erwartet

 
An Rhein und Ruhr. „Die Gedanken sind frei.“ Das ist ein berühmtes Volkslied. Die erste Textfassung ist rund 230 Jahre alt. Gedanken – man kann ihnen nachhängen. Sie können zielführend sein, aber auch ablenken von dem, was gerade eigentlich wichtig ist. Und Gedanken haben auch Macht über den Körper: Prüfungs- angst oder Lampenfieber, wer kennt das nicht? Wenn man an nichts anderes denken kann, als an das, was scheinbar nicht zu bewältigen ist. An den Druck, den man sich macht, wenn es stressig wird. Gedanken machen, was sie wollen. Aber stimmt das eigentlich noch?

Gedanken einzufangen, zu kontrollieren und damit für sich zu nutzen – damit beschäftigt sich eine neue Disziplin mit dem Namen „Neurofeedback“, in den vergangenen Jahren hervorgegangen aus dem Biofeedback, einer Methode aus der Verhaltensmedizin. Biofeedback soll bei verschiedenen Krankheitsbildern helfen, „physiologische Signale werden abgeleitet und optisch oder akustisch aufbereitet“, erklärt Psychologe Dr. Axel Kowalski, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Biofeedback. „So hat der Patient die Chance, etwas zu ändern.“ Unbewusste Körpersignale wie stressbedingte Kurzatmigkeit oder auch Muskelverspannung sollen mit Hilfe von Gedanken kontrollierbar gemacht, der Stress so vermindert, Entspannung möglich gemacht werden. Das klingt gesund.

Zum Beispiel die Muskelverspannung: Sie kann grafisch durch einen Balken dargestellt werden, entspannen sich die Muskeln, sinkt der Balken. „Man experimentiert, denn jeder entspannt sich anders“, weiß Axel Kowalski. Vielleicht sind es Gedanken an eine Blumenwiese, vielleicht an den Strand, die einen zur Ruhe kommen lassen und damit die Muskulatur.

„Die Mehrzahl der Fälle ist sicherlich komplexer“, räumt Kowalski ein. So auch die, die das Feld des Neurofeedbacks betreffen. Epilepsie ist ein mögliches Anwendungsgebiet – Aufmerksamkeitsstörungen bei hyperaktiven Kindern ein anderes. Das Prinzip ist ähnlich: Hirnströme werden mit der so genannten Elektroenzephalographie (EEG) – am Kopf befestigten Sonden – gemessen und an einem Computer grafisch dargestellt. Nun kann wieder fleißig experimentiert werden. Nähern sich die Gehirnwellen den Vergleichsgrößen einer in etwa gleich alten, gesunden Referenzgruppe an, gibt es ein positives Feedback.

Denn Hirnströme ändern sich, denkt man an etwas Aufregendes, Beruhigendes oder Langweiliges. So kann der Wille trainiert werden, mit dessen Kraft Gesundheit und Wohlbefinden, sofern vom Gehirn beeinträchtigt, gesteigert – oder Aufmerksamkeit und Leistung erhöht werden sollen. „Versuch und Irrtum“ heißt die Marschroute.

Ein Hauch Esoterik mag mitschwingen: Wissenschaftler arbeiten weiter, die Wirkung des Mentaltrainings zu belegen. Aber Neurofeedback wird immer ernster genommen. Beispiel ADHS bei Kindern: „Bei Aufmerksamkeitsstörungen haben wir den Fall, dass ein Reiz neu oder sehr stark sein muss, ehe das Kind seine Aufmerksamkeit darauf lenkt“, erklärt Dr. Axel Kowalski. Das Ziel müsse es daher sein, dass die Kinder einen Reiz, der für sie langweilig ist und keine hohe Bindung schafft, „selbstständig herstellen und steuern können“. Dass es funktionieren kann, hatte vor einigen Jahren Hirnforscher Niels Birbaumer von der Universität Tübingen gezeigt, der hyperaktive Kinder mit Neurofeedback erfolgreich behandelt hat. Axel Kowalski: „Kinder sind sehr lernfähig.“

 

Es gibt keine Abkürzung

Das entdeckt auch die Industrie mehr und mehr für sich. Anbieter setzen dabei vor allem auf den Faktor Entspannung. Lernerfolg stelle sich über die Entspannung ein, ist zum Beispiel Ursula Sauer, Geschäftsführerin der Brainlight GmbH überzeugt. Das Unternehmen stellt Lernmedien her, die auf der so genannten „Frequenz-Folge-Reaktion“ basieren. „Sie sorgt dafür, dass akustische und visuelle Reize ein Gefühl herleiten, wie auf Wolken zu gehen“, erklärt Sauer. Die Theorie besage, dass das menschliche Gehirn einem länger anhaltenden akustischen oder optischen Reiz folgt und schließlich in dem elektrischen Wellenmuster eben dieser Frequenz zu schwingen beginnt. Es setzt Entspannung ein. „Es handelt sich dabei um einen natürlichen Vorgang.“ Die Idee dahinter: „Ein entspannter Kopf lernt leichter.“

Mögen Studien solche Effekte bewiesen haben, so gibt es auch Kritik: Die Frequenz, mit der das Gehirn schwingt, sei nicht alles entscheidend, sondern nur ein Faktor von vielen, der über die genaue Hirn-Funktion in bestimmten Situationen entscheidet. „Und die Kinder werden von außen belegt, ohne dass sie darauf reagieren können“, findet Axel Kowalski. Aber: „Lernmedien können funktionieren, sie schaden auf keinen Fall.“

Aber von übertriebenen und haltlosen Erwartungen muss man sich in jedem Fall verabschieden. Weder Lernmedien noch Neurofeedback wirken intelligenzfördernd. „Es gibt keine Abkürzung. Das Lernen an sich kann auf keinen Fall ersetzt werden“, betont auch Dr. Axel Kowalski. „Da müssen die Kinder einfach durch.“

Weitere Infos bei der Deutschen Gesellschaft für Biofeedback: www.dgbfb.de

 

Keine Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen

Die Kosten für eine Bio- oder Neurofeedback-Therapie werden von den Krankenkassen nicht übernommen. „Mit privaten Kassen kann man im Einzelfall verhandeln“, weiß Dr. Axel Kowalski.

 

Autor: Achim Faust

Veröffentlicht in: NRZ 10-2011

 

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