Arbeiten 5.0: Neue Wege in der Pflege
Der Wandel in der Pflege-Arbeitswelt zeigt sich durch neue Führungsmodelle und Entspannungsangebote. Projekte wie „HALTgeben!“ und „Arbeiten 5.0“ setzen auf verbesserte Arbeitsbedingungen und Zusammenarbeit für zufriedenere Mitarbeitende.
Der Wandel in Bezug auf die Arbeitswelt in der Pflege, sowohl in Kliniken, als auch in Pflegeeinrichtungen kündigt sich vielerorts an. An alten Führungs- und Arbeitsbedingungsmodellen rüttelt ein neuer Zeitgeist. Auch Entspannungsangebote für die Mitarbeitenden können ein wichtiger Ansatz für bindungsorientierte Führung in den jeweiligen Einrichtungen sein.
Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege
Zum Beispiel gingen die Betriebskrankenkassen im Rahmen des Präventionsgesetzes von 2015 neue Wege. Sie riefen im Februar 2019 eine Studie mit dem Namen HALTgeben! ins Leben. Ziel war es, zu überprüfen, ob gute Arbeitsbedingungen zu einer stabilen/gestärkten Arbeitsfähigkeit führen und ob die Zufriedenheit von Patientinnen und Patienten dadurch beeinflusst wird. An der Studie beteiligt waren die Kooperationspartner Kliniken Region Hannover (KRH) und das Evangelische Altenzentrum Bruchsal (EAZ). Im April 2022, nach Ende des Projekts, stand fest: Das Projektziel konnte nur bedingt erreicht werden. Im Vergleich zu Kontrollgruppen führten die Interventionen nicht zu statistisch nachweisbaren Veränderungen. Ferner erfuhr die Zufriedenheit von Patientinnen und Patienten keinen Wandel zum Positiven. Andererseits ist die Zufriedenheit der Projektpartner mit den erreichten Ergebnissen durchaus positiv. Etwa die Hälfte der implementierten Maßnahmen ist auch nach Projektende bei den Projektpartnern fortlaufend. Eine Rolle spielten bei dem Projekt sicherlich auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Organisatorische Verwerfungen (Stationsschließung, Personalumsetzung), zusätzliche individuelle Belastungen und ein erhöhter Krankenstand waren die Folgen der Pandemie. So konnten die geplanten Maßnahmen nicht wie gewünscht umgesetzt werden.
Projekt „Arbeiten 5.0“ geht ähnliche Wege
Im Juli 2022 startete das Projekt „Arbeiten 5.0“ am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) auf ersten Stationen. Es setzt einen Benchmark in punkto neuer Arbeitsformen. Hier unterstützt die Techniker Krankenkasse (TK) eine neue Arbeitsstruktur. Das Projekt hat unter anderem zu einer Sensibilisierung für lebensphasenorientierte Arbeitszeiten in der Pflege geführt – sowohl bei den Mitarbeitenden als auch bei den Führungskräften. Dies beinhaltete das Projekt HALTgeben! ebenfalls. Neben der Flexibilisierung der Dienstzeiten rückt bei Arbeiten 5.0 auch die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen dem ärztlichen und pflegerischen Dienst in den Fokus. „Diese Schwerpunktsetzung erweist sich als weiterer wichtiger Baustein bei der Stärkung der Zufriedenheit der Mitarbeitenden“, so Michael van Loo, Leiter des Geschäftsbereichs Personal am UKE. Dazu äußert sich auch Vera Yeliz Ünsal, Expertin im Gesundheitsmanagement der TK: „Flexible und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle könnten beispielsweise einen wesentlichen Faktor für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden darstellen. Das UKE kann somit als Arbeitgeber an Attraktivität gewinnen und hat einen Vorteil gegenüber anderen Kliniken. Die Mitarbeitenden können profitieren. Hier gewinnt auch das Wohlergehen der Patientinnen und Patienten.“ 2024 soll das Projekt am UKE ausgeweitet werden.
Badura mahnt die Übereinstimmung von Struktur und Maßnahmen an
Auch Prof. Dr. Bernhard Badura, Experte in der Forschung zu psychischen Erkrankungen und des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM), mahnte im letzten Jahr als Gast im brainLight-Zoominarformat „Research & Science“ eine Übereinstimmung der Struktur der Führung mit weiteren Maßnahmen im BGM an. Traditionelle Rollenmuster seien unter den neuen Rahmenbedingungen nicht mehr zeitgemäß und sollten durch moderne Konzepte wie eine „bindungsorientierte Führung“ ersetzt werden, so Badura ferner im Fehlzeiten-Report 2023. Hier war Badura Mitherausgeber.
Über Prof. Dr. Bernhard Badura
Bernhard Badura studierte unter anderem Soziologie an den drei baden-württembergischen Universitäten Tübingen, Freiburg und Konstanz sowie an der Harvard University.
Neben Unternehmen beriet Badura in dieser Zeit die Bertelsmann Stiftung als wissenschaftlicher Leiter der großen Expertenkommission „Betriebliche Gesundheitspolitik“, die EU, die WHO und die Bundesregierung. Im Juli 2021 wurde er vom Personalmagazin zum „Papst des betrieblichen Gesundheitsmanagements“ gewählt.
Der Wert von Entspannung
Entspannung kann ein Mosaikstein sowohl zur Unterstützung der Pflegenden, als auch für ein gut aufgestelltes Employer Branding sein. Denkt man an diesen Ausgleich, so bringt man ihn zumeist mit der Freizeit in Verbindung. Ein Spaziergang, sportliche Aktivitäten, Yoga, Meditation, oder auch audiovisuelle Entspannung stehen für einen Gegenpol zum Arbeitstrott. Durch erhöhte Stresseinwirkung lässt auch die Aufmerksamkeit nach. Leistungseinbußen, ein erhöhtes Unfallrisiko und weitere Gesundheitsgefahren sind die Folgen. Um dem vorzubeugen, können auch am Arbeitsplatz Entspannungsangebote im Rahmen einer Betrieblichen Gesundheitsförderung als Teil eines BGMs implementiert werden. Die positiven Folgen für Mensch und Arbeit sind unter anderem eine höhere Arbeitsmotivation und eine verbesserte Arbeitsfähigkeit. So belegen Zahlen des brainLight-Projekts „Mehr Gesundheitskompetenz durch nachhaltige Sensibilisierung“ genau diese Folgeerscheinungen. 90 Prozent der Teilnehmenden bestätigten eine Verbesserung der psychischen Arbeitsfähigkeit, 75 Prozent eine gesteigerte Motivation. Der gleiche prozentuale Wert benennt die Steigerung der körperlichen Arbeitsfähigkeit. Diese Werte berechnete der Evaluationspartner des Projekts, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Ende Dezember 2023. Erhebungsgegenstand sind audiovisuelle Entspannungssysteme, die gepaart mit jeweils einem Shiatsu-Massagesessel für zwölf Wochen in den entsprechenden Unternehmen eingesetzt werden. Das Projekt läuft seit 2016. 182 Unternehmen mit insgesamt 4.488 Mitarbeitenden nahmen bereits teil. (Stand: 31.12.2023)
AU-Zahlen der AOK
Es gibt viel Handlungsbedarf im Klinik- und Pflegebereich. Drei von vier Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die professionell pflegen, haben sich 2022 mindestens einmal arbeitsunfähig gemeldet. Insgesamt fielen sie an 8,8 Prozent aller Arbeitstage aus, so oft wie nie zuvor. 2021 hatte dieser Anteil noch bei 7,2 Prozent und vor elf Jahren sogar bei 6,1 Prozent gelegen. Damit ist der Krankenstand in der Pflege in den vergangenen elf Jahren um 44,2 Prozent gestiegen. Das zeigt eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten des AOK-Bundesverbandes vom April 2023.
Bausteine für das Pflegesystem
Wertschätzung und Anerkennung in jedweder Form können Bausteine zu einem funktionierenden Pflegesystem sein. Dieses lässt sich auf weitere Arbeitsbereiche auch im Rahmen von New Work übertragen.
Quellen:
https://www.tk.de/presse/themen/pflege/pflegepolitik/zur-sache-uke-arbeiten-5-0-2134938
Autor
Jost Sagasser M.A., Leiter Unternehmenskommunikation brainLight GmbH, Kontakt: jost.sagasser@brainlight.de.