Eintauchen ins Meer der Stille Fulda, 17.07.13
Hightech-Entspannung ist im Kommen. Als Mittel der Betrieblichen Gesundheitsvorsorge stellen immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern ein automatisiertes Komplettsystem zur Verfügung. Es besteht aus einem Shiatsu-Massagesessel und einem audio-visuellen Entspannungssystem. Die Geräte verheißen höhere Konzentrationsfähigkeit, Kreativitätsssteigerung und wenig Stress. WIR-Herausgeber Christoph Quarch stand den Geräten erst skeptisch gegenüber, hat sich dann aber von ihnen mitreißen lassen…
So ähnlich stelle ich mir dir Vorbereitungen zu einem Raketenstart vor: Ich setze mich in einen bequemen Sessel, lege jedes meiner beiden Beine in einen eigens für sie vorgesehenen Schacht, schiebe die Arme in zwei Laschen und setze einen Kopfhörer auf. Dort meldet sich allerdings nicht „Ground Control“, sondern eine charmante Frauenstimme, die mich zu einer Reise ganz besonderer Art willkommen heißt: zu einer Reise in die Entspannung. Und kaum, dass ihre sanften Worte mich bezirzen, setzt sich auch schon der wunderliche Sessel wie von Geisterhand in Bewegung: Als legte er selbst Hand an mich, umschließt er meine Waden und beginnt sie fest und rhythmisch zu kneten. Ähnliches geschieht mit den Händen, während eine magische Kraft meinen Rücken massiert. Dazu leise Klänge und ruhige Worte. Mein Raumschiff hebt ab – ich bin auf dem Weg zum Meer der Stille…
Dann flüstert meine Begleiterin mir zu, ich solle die bereitgelegte Brille aufsetzen. Ich folge ihr willig und sehe nun hinter geschlossenen Lidern helle Lichtkaskaden tanzen. Die zweite Raketenstufe wird gezündet. Die Erde liegt schon hinter mir. Schwerelos lausche ich der Sphärenmelodie. Major Tom is on his way. Für die nächsten 20 Minuten durchquere ich unendliche Weiten – und entspanne von Minute zu Minute mehr. Wow!
Begegnung in der DB-Lounge
Das wunderliche Vehikel, das mich in jene sonderbare Umlaufbahn um mich selbst katapultiert, hat den schönen Namen „relaxTower 3D FLOAT“ und ist ein Entspannungssystem der Firma brainLight. Kennen- und lieben gelernt habe ich diesen Massagesessel nebst integrierter Shiatsu-Abwendung und audio-visuellem Entspannungsprogramm in der DB-Lounge des Münchener Hauptbahnhofs. Nun treffe ich ihn wieder in der Zentrale seines Herstellers im fränkischen Goldbach. Denn nach geglückter Landung in höchst entspanntem Zustand wollte ich gern mehr darüber erfahren, was diese wunderliche Maschine eigentlich mit mir angestellt hat.
Ursula Sauer, Geschäftsführerin der brainLight GmbH ist um eine Erklärung nicht verlegen. Sie erläutert, wie die Anwendung abläuft: „Zunächst startet eine einführende Shiatsu-Massage, die Rücken, Po und Waden sowie die Füße massiert. Als Add-on folgt dann über Visualisierungsbrille und Kopfhörer eine audiovisuelle Licht- und Tonentspannung. Daran schließt sich eine Massage des Nackens an, die das jeweilige Programm beendet. Das Gute daran ist“, ergänzt sie, „dass sich die Entspannung ohne eigene Anstrengung starten lässt“.
Mehr Ruhe und Gelassenheit
Die Wirkung stelle sich unmittelbar ein: sofortiger Stressabbau sowie tiefe Entspannung schon nach zehn Minuten. „Diese 10 Minuten bieten Ersatz für zwei Stunden Schlaf“, erklärt sie. Bereits bei mittelfristiger Anwendung stellten sich mehr Ruhe und Gelassenheit im Alltag ein. Das liege daran, dass die audio-visuellen Programme dazu führen, die Schwingungsfrequenz des Gehirns positiv zu verändern. Arbeiten unsere grauen Zellen während des Tages gewöhnlich im schnellen Beta-Rhythmus, so werden sie während einer Anwendung in den entspannenderen Alpha-, Delta- oder Thetabereich versetzt. Vor allem die Alpha-Schwingungen verursachen dabei eine gesteigerte Aufnahme- und Merkfähigkeit. Kreativität, Fantasie und Intuition werden intensiviert. Auch bessere Leistungen und ein gesteigertes Wohlbefinden stellten sich ein.
Das entspricht meinem Eindruck. Mir scheint, dass man hier auf höchst bequeme und einfache Methode einen ähnlich heilsamen Effekt erzielen kann, wie durch ein regelmäßiges Meditationstraining. Das bestätigt Ursula Sauer. Was sie zudem über die moderne Hightech-Entspannungstechnologie zu sagen weiß, ist genauso erstaunlich. Verschiedene wissenschaftliche Arbeiten belegen inzwischen die Wirksamkeit audio-visueller Stimulationen, erläutert sie.
Die Magie der Lichtreflexe
Eine dieser Wirksamkeitserhebungen stammt von Meike Wiedemann vom Institut für Physiologie der Universität Hohenheim. 2003 wurde darin die Frequenz-Folge-Reaktion nachgewiesen, das heißt, die Anpassung physiologischer Parameter an vorgegebene optische und akustische Reize. Übrigens ist das Prinzip dieser Wirkungsweise nicht neu. Schon rund 200 Jahre vor Christi Geburt entdeckte der griechische Astronom Ptolemäus, dass das Flackern des Sonnenlichts eine entspannte und euphorische Grundstimmung erzeugt, wenn man durch die Speichen eines sich drehendes Rad hindurch in die Sonne blinzelt.
Solche Effekte stellen sich auch bei der Nutzung moderner audio-visueller Entspannungssysteme ein. Und nicht nur das. Ein weiterer Effekt der audio-visuellen Stimulation ist eine Vernetzung der beiden Gehirnhälften, in deren Folge die Aufnahme- und Lernfähigkeit verbessert werden. Dies verbunden mit einer vom Sessel verabreichten automatischen Shiatsu-Massage bewirkt bei den Anwendern ein hohes Maß an Entspannung und Regeneration.
Mittel zur Stressprophylaxe
Das ist wohl auch der Grund dafür, dass Entspannungssysteme immer häufiger Einzug in die Bürogebäude von Unternehmen finden. Ob nun Lufthansa, BMW, Unilever oder Siemens: Immer mehr Chefs greifen auf diese neuartigen Technologien zu, um das Wohlergehen und die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter zu fördern. Kein Wunder, wissen sie doch, dass die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer immer häufiger zu Arbeitsausfällen infolge von Unfällen, Burnout und dergleichen führen. Die betrieblichen Statistiken der Personalabteilungen sprechen da eine deutliche Sprache.
Tatsächlich belegen aktuelle Studien einen rasanten Anstieg dieser Erkrankungen in allen europäischen Ländern. Laut einer 2011 von der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz durchgeführten Studie sind mehr als ein Viertel (28 Prozent) der Arbeitnehmer in der EU von arbeitsbedingtem Stress betroffen. Kein Wunder so gesehen, dass Massagesessel und Entspannungstechnologie zunehmend Eingang in die Betriebliche Gesundheitsförderung finden, versprechen sie doch einen effizienten und einfachen Weg zu Stressresilienz und Krankheitsprophylaxe.
Bestätigt wird die Wirkungsweise der Systeme durch eine Studie mit dem Titel „Die Gesundarbeiter“, die von der Hochschule Furtwangen University, IB-Consulting, der Schwenninger Krankenkasse und der brainLight GmbH von September 2011 bis März 2012 durchgeführt wurde. Studiengegenstand war die Frage: „Lässt sich Stress durch eine audiovisuelle Stimulation in Kombination mit einer Shiatsu-Massage minimieren?“ Das Resultat liest sich eindrucksvoll: Bei 81,5 Prozent der Probanden der Hauptstudie reduzierte sich der Stressindex signifikant um durchschnittlich 20 Prozent.
Niedrige Hemmschwelle
Das lässt viele Unternehmen aufmerken. Psychische Erkrankungen rangieren in der Häufigkeit der Fehltage inzwischen an vierter Stelle. Stress ist häufig der Auslöser. Alles, was den Stress am Arbeitsplatz mindert, ist deswegen gefragt. Zumal denn, wenn es einfach und effizient ist. Thorsten Bröske, Vorstand der Schwenninger Krankenkasse, setzt daher auf die audiovisuelle Entspannungstechnik. Der Zeitaufwand sei hier wesentlich geringer als bei Präventionskursen wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung. Außerdem sei die Hemmschwelle für Mitarbeiter deutlich geringer, wenn es nur darum geht, sich auf einen Massagesessel zu setzen.
Nach meinem 25-minütigen Raumflug zum Meer der Stille kann ich das bestätigen. Hätte ich so einen Sessel am Arbeitsplatz… - ich würde mich leichthin über jede sich in den Weg stellende Schwelle hinwegsetzen, um dieses Wohlgefühl tiefer Entspannung zu erfahren. Und das, obwohl ich anfangs mehr als skeptisch diesen technischen Geräten gegenüberstand. Irgendwie erschien es mir manipulativ, mit artifiziellen Methoden Zustände herbeizuführen, die man mit etwas Fleiß und gutem Willen auch auf dem Meditationskissen erzeugen kann. Aber da ich angesichts der Fülle meines Arbeitspensums gar nicht mehr zum Meditieren komme, habe ich nach meiner Erfahrung mit dem „relaxTower 3D FLOAT“ meine Meinung geändert; und erfahre nun von seinen Herstellern, dass ich allen Grund dazu habe. Denn da wäre noch eine weitere Studie.
Besser als ein Boxsack
Sie verdankt sich einer Erhebung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg vom Sommer bis Herbst 2012. Darin wurde der Effekt unterschiedlicher Erholungsweisen in Arbeitspausen untersucht. Zusammen mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Argang Ghadiri wollte Studienleiter Theo Peters herausfinden, wie sich die Pausengestaltung von Arbeitnehmern auf Konzentrationsfähigkeit und Entspannung auswirkt. Dazu unterzogen die Forscher die Probanden nach einer zweistündigen Arbeitsphase einem Konzentrationstest. Daran schloss sich dann eine EEG-Messung an, bei der die neurophysiologischen Gehirnaktivitäten analysiert wurden.
Eine zufällige Zuteilung zwischen verschiedenen Optionen entschied über die Gestaltung der folgenden Pause: Die Testpersonen durften sich entweder bei einem Brainfood-Buffet mit frischen Fruchtsäften erholen oder einer normalen Pause „wie immer“ nachgehen. Ferner stand ein Standboxsack für ein dreiminütiges Kurzzeitboxen bereit oder ein audiovisuelles Entspannungssystem mit Shiatsu-Massagesessel für eine zehnminütige Entspannungssitzung.
„Wir wollten feststellen, wie sich die Pausengestaltung auf die Gehirnaktivität auswirkt und ob die Probanden hinterher intellektuell leistungsfähiger waren als zuvor“, erklären die Forscher die Versuchsanordnung, der sich insgesamt achtzig Personen unterzogen. Nach der Session im Sessel steigerte sich die Konzentration bei den jeweiligen Probanden um durchschnittlich 24 Prozent. Die Entspannung habe sogar um durchschnittlich 79 Prozent zugenommen. Nach meinen eigenen Erfahrungen wundert mich das nicht.
Langsam verstehe ich daher, warum sich immer mehr Unternehmen für die Hightech-Entspannungstechnologie interessieren. Denn wenn nicht nur das subjektive Wohlbefinden durch die Geräte gesteigert wird, sondern auch belastbare Messergebnisse aufgetischt werden können, dann gibt es wenig Gründe, die einen davon abhalten könnten, seinen Mitarbeitern ein solches Komplettsystem zur Verfügung zu stellen. Zumal diese Teile auch noch chic aussehen und nicht zufällig den einen oder anderen Designpreis gewonnen haben. Ich würde jedenfalls nicht zögern, mir so ein Gerät ins Wohnzimmer zu stellen. Wenn ich es mir leisten könnte, denn für meinen Freund „relaxTower 3D FLOAT“ müsste ich knapp 7200 Euro berappen. Für einen Privathaushalt kaum machbar, für ein Unternehmen mittelfristig aber unzweifelhaft eine sinnvolle Investition.
Text: Christoph Quarch und Jost Sagasser